Wieso ich studiere

by - Donnerstag, August 23, 2018

Stellt euch vor, ihr wachst in einem Umfeld auf, in dem niemand die Möglichkeit auf gute Bildung hatte. Für einen gibt es dann zwei Möglichkeiten: entweder man ist demotiviert und macht nur so viel man kann oder man gibt alles und ist der erste, der dieses Privileg ausnutzen kann. Ich habe mich für letzteres entschieden.
Ich habe das Gefühl, für viele ist es selbstverständlich, Abitur zu machen und zu studieren, denn einerseits wird es Kindern auch schon im jungen Alter von den Lehrern vermittelt. Wir haben das Glück, dass Bildung in Deutschland nichts kostet, dabei vergessen wir aber dass nicht jeder dieses Glück hat. Teilweise werden Ausbildungsjobs schlecht geredet oder einem vermittelt, ein Bachelor wäre nicht ausreichend. Auf die Wahl des Studiengangs komme es auch an, denn ein Philosophie-Studium sei nichts Besonderes im Gegensatz zu einem Medizin-Studium. Ich verstehe, dass die Ansprüche heutzutage sehr hoch sind und dass einige Arbeitgeber viel fordern, doch die Tatsache , dass man überhaupt in die Schule oder Uni gehen kann sollte nicht außer Acht gelassen werden.
Nach der Schule hatte ich ehrlich gesagt keinen Plan was ich machen wollte. Abitur war für mich nicht wirklich eine Wahl, da ich nach der Grundschule direkt aufs Gymnasium war und das der "natürliche Weg" war. Mir wird aber erst jetzt wirklich bewusst, dass es schon etwas Besonderes ist und nicht jeder ein Abitur bzw. die Möglichkeit auf ein Abitur hat. Ich wusste nicht, was oder ob ich überhaupt studieren sollte und meiner Meinung nach kann man es auch nicht von jemandem erwarten, der gerade erst die Schule beendet hatte. Einige Jahre nach der Schule und bis jetzt ist es mir aber immer klarer geworden: ich will studieren. Und der Prozess, das "Richtige" zu finden war ein langer. 
Ich komme ins 6. Semester meines Soziologie-Studiums und hätte eigentlich nie gedacht, dass ich hier mal lande. Am Anfang habe ich verschiedene Fächer ausprobiert, da sie mich nur interessierten. Ich habe mich für BWL, Medienmanagement usw. beworben, doch dafür hat mein Abischnitt nicht gereicht. Ich wollte unbedingt etwas mit Management machen aber wer selbst mal nachgeschaut hat weiß, dass diese Studiengänge meist nur von privaten Unis angeboten werden. Auf Soziologie bin ich durch Zufall gestoßen, denn vorher wusste ich nicht genau was das ist. Als ich mir die Beschreibung auf der Uni-Webseite durchlas dachte ich, das könnte etwas für mich sein und habe mich eingeschrieben. Durch das Nachrückverfahren bin ich sogar reingekommen und ab da begann die Reise. Ich habe zwischendurch oft mit dem Gedanken gespielt, mein Studium abzubrechen, selbst nach dem 3. oder 4. Semester. Ich habe mich sogar schon für Ausbildungsjobs beworben und war sogar bei einem Bewerbungsgespräch. Heute bin ich aber so froh, dass ich doch dran geblieben bin. Denn obwohl ich oft große Zweifel daran habe, ob es die richtige Entscheidung war, bin ich ein Mensch, der Sachen durchzieht. Ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, jetzt noch aufzuhören, denn ich bin so weit gekommen. Es war ein schwerer Weg und der Weg wird noch weitergehen, doch ich bleibe dran.
Wie ihr jetzt merkt, war dieses Studium nicht meine erste oder zweite Wahl. Wenn mich jemand fragt, wieso ich ausgerechnet das studiere, könnte ich auch nicht 100% mit voller Leidenschaft dahinterstehen. Ich habe Respekt vor Leuten, die ein Fach studieren, für das sie sich wirklich interessieren und es aus purer Freude machen. Auch wenn es vermutlich nicht der richtige Ansatz ist: ich studiere um mir selbst zu zeigen, dass ich es kann. Ich möchte einen Studienabschluss haben, um damit einen guten Job zu bekommen und mir und meiner Familie ein gutes Leben zu garantieren. Ich möchte in gewisser Weise meine Familie stolz machen, denn sie hatten das Privileg nicht und deswegen habe ich das Gefühl, ich muss es ausnutzen. Das meine ich damit, wenn ich sage, dass viele das Privileg gar nicht schätzen. Für mich zählt nicht was und wie lange du studiert hast; ich habe viel Respekt vor jemandem, der es durchgezogen und am Ende geschafft hat. Ich weiß, Sozialwissenschaften haben oft einen schlechten Ruf und viele sagen, man werde am Ende sowieso nur Taxifahrer, doch ich habe genauso viel Anerkennung vor jemandem, der Soziologie, Philosophie oder Jura studiert hat. Es soll aber nicht so klingen, als ob ich es nur für meinen Stolz mache. Über die Jahre habe ich mich wirklich in das Studium eingelebt und bin teilweise so vertieft, dass ich selbst im Alltag darüber rede und mich erwische, wie ich Sachverhalte beobachte. Ich bin leidenschaftlich dabei (mittlerweile) aber bin auch froh, dass ich es (hoffentlich) bald geschafft habe. Ich denke, ohne Begeisterung funktioniert sowieso nichts, aber manchmal braucht es eben Zeit, bis sie da ist.

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4 Kommentare/ Read More

  1. Toller Post, liebe Sandy! :)
    Meiner Meinung nach wird die Bildung in Deutschland teilweise als zu selbstverständlich angenommen, was wirklich schade ist. Wobei man auch anmerken muss, wie "leicht" man heutzutage das Fachabi bekommt (z.B. durch ein FSJ/Ausbildung).
    Mir ging es übrigens (fast) genau so wie dir. Mein Traum war es schon immer zu studieren, allerdings wusste ich nach der Schule nicht was und habe erstmal ein FSJ und eine Ausbildung gemacht, obwohl ich schon einen Studienplatz hatte.. Jetzt fange ich dieses Jahr erst an zu studieren und bin super glücklich darüber, auch wenn ich momentan noch etwas zwiegespalten bin.

    Liebe Grüße,
    Alina von https://aphotojournal.de/

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    1. vielen dank für deinen kommentar! Ja, das sehe ich genau so. Es ist teilweise so leicht zugänglich dass es dann nicht mehr anerkannt wird..
      studieren muss nicht immer der "richtige" und einzige weg nach dem abi sein, von daher finde ich deine entscheidung sehr gut. Hoffentlich wirst du deinen weg finden und wenn es dich nicht glücklich macht dann lass es bleiben :)

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  2. Ein sehr schöner Post:) Ich glaube, dass du das Thema Studium hier auf den Punkt gebracht hast. Mir ging es nach dem Abitur ganz genauso und ich habe dann auch erstmal 1 Semester etwas anderes studiert bevor ich dann endlich meinen für mich einzig richtigen Studiengang gefunden habe. Ich bin so froh, dass ich den Schritt gewagt und das Fach gewechselt habe. Nun habe ich nur noch meine Bachelorarbeit vor mir und bin jetzt sogar ein bisschen wehmütig, dass mein Studium nun bald vorbei ist.

    Liebe Grüße:)
    Kristin
    http://www.lipstickandspoon.com/

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  3. Toller Post liebe Sandy und ich finde deine Einstellung richtig klasse! Und ja, es ist ein Privileg zu studieren und meiner Meinung nach ist es das heute immernoch. Klar, Bildung kostet glücklicherweise nichts, aber Geld verdienen tut man damit auch nicht. Wer nach der 10. Klasse eine Ausbildung macht, verdient ab dato Geld (wenn auch noch nicht so viel) und danach in der Regel genug, um das Leben selbstständig zu finanzieren. Macht man erst mal Abitur und studiert dann noch, dauert es eben viel länger - und das muss man sich erstmal leisten können.
    Ich finde es auch gut, dass du dein Studium durchziehst und nicht abgebrochen hast, denn ich bin auch ein Mensch, der Dinge, die ich angefangen habe auch zu Ende mache. :-)
    Liebe Grüße,
    Cindy ❤ www.fraeulein-cinderella.de

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